Das Wurzelkind – Und was es mit unserem Jetzt zu tun hat

Egal, wie erwachsen wir sind und wie fest wir im Leben stehen, tragen wir alle ein Inneres Kind, sprich Wurzelkind in uns. Das Wurzelkind beinhaltet eine ganze Palette tiefster Gefühle: Lebensfreude, Kreativität und Neugier. Doch unser Wurzelkind trägt auch Verletzungen und Kränkungen in sich. Da unser Unterbewusstsein negative Emotionen verdrängt, verlieren die meisten von uns im Laufe des Lebens den Kontakt zum Wurzelkind. Zwar umgehen wir damit, im Alltag Kränkungen aus unserer Kindheit zu spüren. Jedoch leben wir auch unser volles Potenzial nicht! Außerdem erleben wir Konflikte, da unsere nicht bearbeiteten frühkindlichen Themen Resonanz mit unseren Mitmenschen erzeugen. 

 

Was passiert, wenn man sich entschließt, mit dem Wurzelkind zu arbeiten? Durch verschiedene Therapieansätze kann man als Erwachsener Persönlichkeitsanteile, die in der Kindheit zum Beispiel durch das Elternhaus unterdrückt wurden, wieder ins Leben holen. In meiner Praxis bin ich immer wieder erstaunt, wie Klienten nach der Arbeit am Wurzelkind auf einmal ganz neue Facetten ihrer Persönlichkeit zeigen: Manche lernen auf einmal, wütend zu sein und „Nein“ zu sagen, weil die Loslösung von einer unterdrückenden Erziehung endlich gelingt. Andere, die in der Kindheit auf Leistung getrimmt wurden, entdecken auf einmal wieder verdrängte Interessen und eine starke kreative Seite. 

 

Wer zu mir in die Praxis kommt mit dem Wunsch, den Kontakt zum Wurzelkind zu finden, kann das mit verschiedenen Therapieansätzen erreichen. Mithilfe von Hypnose kann ich einen Klienten sogar direkt in die Kindheitsjahre zurückversetzen und ihm noch einmal die Welt aus der Sicht eines Kindes nahebringen. 

 

Sehr intuitiv ist auch die Arbeit mit Märchen: Dann versetze ich durch eine geführte Meditation meinen Klienten in einen hypnoiden Zustand und beschreibe eine idyllische Umgebung. Das kann zum Beispiel eine Lichtung im Märchenwald sein oder ein Zaubergarten, in dem die Blumen blühen. Ein sicherer Ort, um das Innere Kind vor sich zu sehen. Dann frage ich: „Siehst du dein Wurzelkind? Wie alt ist es? Wirkt es fröhlich? Bemerkt es, dass du da bist oder ist es ganz in sich selbst vertieft? Könnt ihr vielleicht sogar miteinander sprechen?“

 

Eine weitere Möglichkeit ist die Analyse des Wurzelkindes mit der Hilfe von Aufstellungsarbeit. Wie Aufstellungsarbeit als Therapiemethode funktioniert, habe ich in meinem vorigen Blogartikel beschrieben. In „Das volle Körbchen“ widme ich der Aufstellungsarbeit anhand von Fallgeschichten sogar ein ganzes Kapitel. Ich bitte zu dieser Gelegenheit meinen Klienten, die Welt seines Wurzelkindes aufzustellen: Wie steht es zu Mutter und Vater oder vielleicht Geschwistern? Wie würde der Klient sein erwachsenes Ich zum Wurzelkind positionieren? Diese Methode offenbart vieles über die Beziehungen innerhalb der Familie, aber auch zum eigenen Ich. 

 

Ich vergleiche das menschliche Leben immer gerne mit einem Baumstamm: Schneidet man einen Baum auf, gelangt man zum Kern. Außenherum befinden sich die Jahresringe. Der Kern eines Baumes ist unsere Kindheit. Die Jahresringe sind alle Lebenserfahrungen, die wir danach machten. Was ich damit sagen möchte: Wer bewusst leben will, sollte sich als Erwachsener einen guten Kontakt zum Wurzelkind aufbauen. Denn auch wenn ein Baum wächst, blüht, seine Blätter verliert – er vergisst nie seine Wurzeln oder die Erde, aus der er einst kam. 

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